Die Aufführungsgeschichte vom "Totentanz", Paraphrase über "Dies irae" für Klavier und Orchester von Franz Liszt ist mit der Entwicklung der russischen Klavierschule untrennbar verbunden. Generationen russischer Pianisten bewiesen im Laufe der letzten 150 Jahre immer aufs Neue die Bedeutung dieses Werkes, das in Europa teils dem Spott ausgesetzt wurde, teils der Vergessenheit anheim fiel.
Liszt selbst fertigte mehrere Fassungen sowohl für Klavier und Orchester als auch für Klavier alleine an, in 1849, 1853 und 1859. 1865 wurde dieser Variationenzyklus zum ersten Mal verlegt, im selben Jahr, am 15. April 1865, fand in Den Haag die gründlich misslungene Uraufführung statt. Erst 1867 verhalf der große Pianist Nikolai Rubinstein dem "Totentanz" in Moskau zum Durchbruch. Später schrieb Liszt darüber
"...übrigens sind die Urtheile der Göttin Kritik nicht unwiderruflich. Sie verurtheilte meinen "Totentanz" bis zum Äußersten; während ungefähr 15 Jahren war dieses Stück nach den spektakulären Fiascos der ersten zwei Aufführungen in tödliche Vergessenheit verbannt. Und siehe, durch sein bewundernswertes Talent erweckte es Nikolai Rubinstein in Moskau, Warschau und Sankt Petersburg zum neuen Leben."
Die vom Gründer des Moskauer Konservatoriums gebildete Aufführungstradition wurde von seinem Meisterschüler Alexander Siloti fortentwickelt. Letzter schrieb sogar eine eigene Fassung dieses Werks, und Liszt erteilte ihm seinen Segen mit folgenden Worten:
"ich bin nicht nur einverstanden, sondern genehmige ausdrücklich das, was du gemacht hast..."
Mein Moskauer Lehrer, Professor Lev Vlassenko, bevorzugte die Originalfassung Liszts, ich wiederum spiele lieber die erwähnte, 1911 in Leipzig verlegte Fassung von A. Siloti. Möge dieses geniale Werk - unabhängig von der Fassung - zum pianistischen Standardrepertoire werden!